- geistliche Epik
- geistliche Epik,epische Darstellung der christlichen Heilsgeschichte u. a. kirchliche Überlieferung (v. a. Legenden). Sie bildet einen wesentlichen Bestandteil der spät- und mittellateinischen Literatur, kennzeichnet aber auch volkssprachliche Literaturen des Mittelalters (so die englischen und französischen). Dies gilt auch für die deutsche Literatur, an deren Anfang zwei große geistliche Epen, der »Heliand« (um 830) und die »Evangelienharmonie« Otfrids von Weissenburg (zwischen 863 und 871) stehen. In der frühmittelhochdeutschen Periode (1050-1200) finden sich neben Darstellungen des gesamten Heilsplanes so genannte Summen (»Summa theologiae«, »Anegenge«), religiös-didaktische Geschichtsdichtungen (»Annolied«, um 1080; »Kaiserchronik«, um 1150) und Bibelnachdichtungen (z. B. die »Wiener Genesis«, zweite Hälfte des 11. Jahrhunderts), die Werke der Frau Ava, die »Vorauer Bücher Moses« (letztes Viertel des 12. Jahrhunderts). In den folgenden Jahrhunderten trat die geistliche Epik hinter die weltliche Erzählliteratur (höfische Epik) zurück; es entstanden weiterhin Heiligenviten, besonders auch Marienleben und Legendendichtungen, z. B. von Heinrich von Veldeke (»Servatius«) und Hartmann von Aue (»Gregorius«, um 1190). Die geistliche Epik der Deutschordensdichtung ist nochmals vom Streben nach Totalität in der Darstellung religiöser Zusammenhänge in der Bibelepik und in eschatologischen Werken charakterisiert. Seit Humanismus und Reformation wurde die kirchlich-dogmatische geistliche Epik weiter zugunsten einer allgemeinen religiösen, persönlich bestimmten Erlebnisliteratur zurückgedrängt, zur Zweckdichtung für Seelsorge und christliche Glaubensstärkung (Erbauungsliteratur).
Universal-Lexikon. 2012.